EU-Osterweiterung bringt Absatzchancen -
Standort Deutschland wettbewerbsfähig machen!
Prof. Wolfgang Harbrecht sprach über Auswirkungen der EU-Osterweiterung
Paul Hufnagel (HSS), Erwin Dotzel, Dr. Anja Weisgerber, Christian Steidl, Michael Berninger.
Auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung sprach der Volkswirtschaftler Professor Wolfgang Harbrecht in Erlenbach über die Chancen und Risiken der EU-Osterweiterung. Er plädierte für eine effiziente Arbeitsteilung in Europa zum Nutzen aller. Um im Wettbewerb zu bestehen, müsse die deutsche Politik ihre Hausaufgaben machen.
Auch der CSU-Kreisverband Miltenberg hatte die Werbetrommel gerührt und so kamen zahlreiche interessierte Bürger und auch die CSU-Europakandidatin Dr. Anja Weisgerber. Die junge Rechtsanwältin aus Schwebheim bei Schweinfurt betonte: "An vielen Stellen brauchen wir weniger Europa und nicht mehr!" Zum Beispiel die Trinkwasserversorgung solle nicht unter die Zuständigkeit der EU fallen. Einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union würde sie im Europaparlament nicht zustimmen, denn die Kosten seien mit über 14 Milliarden Euro zu hoch und die Bevölkerungswanderungen würden die Integrationskraft der EU übersteigen. Professor Harbrecht untermauerte die Aussage mit Zahlen: Nur drei Prozent des Territoriums der Türkei liegt in Europa. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt weit unter dem EU-Durchschnitt und schon jetzt stellt die Türkei mit über 70 Millionen Einwohnern ebenso viele Bürger wie alle 10 jetzigen Beitrittsländer zusammen. Dennoch sei es fraglich, ob es politisch machbar sei, der Türkei dauerhaft die Türe zur EU zu verschließen. Wenn der Europäische Rat im Dezember 2004 beschließe, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beginnen, dann sei der Prozess unumkehrbar und der Beitritt nur noch eine Frage der Zeit. Daher sprach sich Anja Weisgerber unter dem Applaus der Zuhörerschaft für eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei statt der EU-Vollmitgliedschaft aus.
In seinem Vortrag ging der Volkswirtschaftler zunächst auf die Chancen ein, die mit der EU-Osterweiterung verbunden sind. Deutschland erhält dadurch einen besseren Zugang zu den Absatzmärkten in Osteuropa. Gleichzeitig bekommen deutsche Investoren rechtliche Sicherheit, dass ihre neuen Betriebe nicht plötzlich verstaatlicht werden. Dadurch, dass arbeitsintensive Produktionsbereiche in den Osten verlagert werden, können high-tech-Arbeitsplätze in Deutschland überhaupt erst gesichert werden, so seine These. Zudem verdeutliche die Konkurrenz der Standorte nur, welche Hausaufgaben die deutsche Politik ohnehin zu erledigen hätte: Die Rahmenbedingungen müssen attraktiver werden für die Wirtschaft. Die Senkung der Lohnnebenkosten gelinge aber nur, wenn sich das Sozialsystem zielgenauer nur um die kümmere, die sich nicht selbst helfen können.
Auch 15 Jahre nach dem Mauerfall solle man nicht vergessen, dass das vereinigte Europa noch immer ein Friedensprojekt sei, forderte Harbrecht. Die EU sei zwar keine außenpolitische Weltmacht, aber sie sichere zumindest, dass es unter den EU-Staaten keinen Krieg gibt. Dadurch sparen die Mitgliedsländer Geld ein, weil sie keine so großen Streitkräfte brauchen.
Doch der Friedensdividende stehen Ausgaben gegenüber, die durch die EU-Osterweiterung entstehen. Die Mittel für die EU-Strukturföderung fließen weniger nach Ostdeutschland, sonder mehr nach Polen, Tschechien, Ungarn und die anderen Beitrittsländer. Die große landwirtschaftliche Produktion im Osten wird die Überschüsse erhöhen und dadurch die Preise senken. Das mag den Verbraucher freuen. Für die heimische Landwirtschaft verstärkt es die Krise und muss durch direkte Beihilfen abgefedert werden. Daneben macht vielen Menschen die Zuwanderung von billigen Arbeitskräften Sorgen. Professor Harbrecht konnte hier zumindest eine Teilentwarnung geben. Die Arbeitnehmer müssen in der EU gleich bezahlt werden, egal aus welchem Land sie kommen. Da werden die deutschen Bewerber die Nase vorn haben, vermutet Harbrecht. Ein Problem werden die Dienstleistungen im Grenzgebiet sein. Wer in Tschechien lebt und nach Bayern zum Tapezieren kommt, kann diese handwerkliche Tätigkeit billiger anbieten als der bayerische Mitbewerber. Dass es keine Zuwanderung in die Sozialsysteme geben wird, das müsse eine entsprechende deutsche Gesetzgebung gewährleisten, erklärte Harbrecht auf Nachfrage von Helmut Monert. Was die Abwanderung von Unternehmen angehe, so sei das kein ausschließliches Ost-West-Problem. In Irland zahlen die Kapitalgesellschaften nur einen Grenzsteuersatz von 16 Prozent. In Deutschland sind des 38 Prozent. In Irland boomt die Wirtschaft. Davon sollte Deutschland lernen und seine Hausaufgaben machen, ermahnte der Volkswirtschaftler. Bürgermeister Michael Berninger ergänzte, die Androhung der Arbeitsplatzabgabe sei ein weiterer Schritt in die falsche Richtung, weil sie die Betriebe aus dem Land vertreibe.